Diese Personalentscheidung darf getrost als sogenannter Transferhammer betitelt werden. Den Verantwortlichen der SG Köndringen-Teningen ist es gelungen Clément Gaudin vom französischen Erstligisten Istres Provence Handball zu verpflichten. Der 25-jährige Schlussmann unterschrieb einen zukunftsträchtigen Vertrag für die nächsten drei Spielzeiten. Der Vertrag gilt ligaunabhängig. Möglich wurde die Verpflichtung von Gaudin nur dank der Tatsache, dass der 197cm große Goalie dem Profisport bis auf weiteres den Rücken kehrt.
Clément Gaudin wird im Herbst 2023 eine Ausbildung zum Physiotherapeuten aufnehmen. Diese Zukunftsplanung kommt jedoch nicht von ungefähr. So wird er seinem älteren Bruder Thomas Gaudin, seines Zeichen Physiotherapeut der SG im letztjährigen Aufstiegsjahr und aktuell immer noch Teil der medizinischen Abteilung der Breisgauer, nacheifern. Und durch eben diesen Kontakt kamen die ersten Gespräche zustande. SG-Teammanager Philipp Grangé gibt zu: „Dass Clément sich für einen neuen Lebensabschnitt ausgerechnet Südbaden aussucht ist natürlich wunderbar. Dass wir ihn dann auch noch von der SG überzeugen konnten ist der Wahnsinn. Clément wird uns auf der extrem wichtigen Position des Torhüters für die nächsten drei Jahre noch stärker machen. Wir waren nicht auf der Suche nach einem Torhüter, da wir mit Fabian Hörsch ein talentiertes und verlässliches Eigengewächs und in Sebastian Kicki Erfahrung pur haben. Wenn dann aber jemand wie Clément vom Himmel fällt, dann mussten wir alles daranlegen um ihn nach Teningen zu lotsen. Hier sind wir Thomas sehr dankbar, dass er wohl ein gutes Wort für uns eingelegt hat und den Kontakt so weitblickend hergestellt hat. Die Tatsache, dass Clément für mindestens drei Jahre eine berufliche Bindung in unsere Region hat, macht es auch aus meiner Sicht mehr als logisch, dass wir uns um so einen Spieler bemühen.“
Dass die Verpflichtung aus sportlicher Hinsicht ebenfalls ein Treffer ins Schwarze ist, davon ist die sportliche Leitung der SG überzeugt. Gaudin, ausgebildet im Nachwuchsleistungszentrum von Paris St. Germain, bringt trotz seiner jungen Jahre bereits viel Erfahrung mit. Über die Stationen Paris und Nizza folgte der Schritt 2020 nach Istres. Hier spielt Gaudin sein nun mittlerweile siebtes Jahr im französischen Profihandball der ersten und zweiten Liga. Einsätze in der Champions League mit dem Ensemble von Weltstars bei PSG zählen dabei wohl zu den persönlichen Highlights Gaudins.
Die Tatsache, dass Clément Gaudin überhaupt im Profihandball gelandet ist, verwundert eigentlich keinen Handballkenner. Der Name Gaudin ist nicht nur durch Torhüter-Vater Christian (Champions League Sieger und Deutscher Meister mit dem SC Magdeburg, später u.a. Trainer beim HSV Hamburg)
bekannt. Auch Bruder Noah macht bereits große Schritte auf internationalem Parkett. Mit dem dänischen Top-Team aus Skjern verlängerte der Spielmacher und Junioren Weltmeister unlängst seinen Vertrag und wird voraussichtlich auch im nächsten Jahr wieder im Europapokal vertreten sein.
Bereits genannter Thomas Gaudin hat das vermeintlich härteste Los der Brüder gezogen. Auch er kann bereits auf Einsätze in Frankreichs Eliteliga zurückblicken. In Sélestat konnte der Linksaußen sein ebenfalls großes Talent unter Beweis stellen. Leider stoppten ihn Schwierigkeiten mit der Schulter. Es folgte der bewusste Fokus auf die berufliche Ausbildung und der Sprung über die Grenze nach Deutschland nach Neuried-Altenheim, wo Thomas auf den jetzigen SG-Teammanager und damaligen Mannschaftskollegen Grangé traf und sein sportliches Glück nochmals versuchte. Leider ohne den erhofften Erfolg. Zu Beginn dieser Saison brach die über lange Monate auskurierte Verletzung wieder auf. In der Folge beendete Thomas Gaudin schweren Herzens seine aktive Karriere.
Vielleicht hat er deshalb aber von nun an mehr Zeit um sich seinen Bruder in Aktion anzusehen. Sein ehrenamtliches Engagement als mittlerweile ausgelernter Physio hat er in Teningen wieder aufgenommen. Parallel unterstützt er weiterhin den TuS Altenheim. Clément Gaudin wird in jedem Fall Anfang des Sommers in die Region ziehen. Eine lange Eingewöhnung wird der sympathische Franzose vermutlich nicht benötigen. Bereits seit einiger Zeit nimmt Clément Gaudin fortführenden Deutschunterricht, um sein sehr gutes Sprachverständnis aus seiner Kindheit in Deutschland weiter auszubauen. Bleibt dann nur noch abzuwarten, wie Gaudin den Sprung aus dem Profileben ins Berufsleben vollzieht. „Wir werden ihn da unterstützen wie wir alle unsere Spieler begleiten. Aber Clément ist ein bodenständiger und sehr aufgeschlossener Typ. Er hat sich viele Gedanken zu seiner Zukunft gemacht. Er hätte ja auch gut und gerne noch ein paar Jahre als Profi spielen können. Dass er nun bereits so weitsichtig agiert spricht für seine Persönlichkeit“, so Philipp Grangé.
Eine Umstellung wird es trotzdem. Da ist sich auch Grangé sicher. Von acht bis zehn Trainingseinheiten in Istres auf vier bis fünf bei der SG. Grangé schätzt die Situation so ein: „Clément wird seine Energie schon ausschöpfen müssen. Langweilig wird ihm bestimmt nicht. Die frei werdende Zeit wird er benötigen. Seine Ausbildung wird intensiv, das Trainingsniveau bei uns ebenfalls. Aber das ist unser Leitbild. Familie, Beruf und Sport auf diesem Niveau unter einen Hut zu bekommen ist nicht einfach.“
Nach Pascal und Oliver Bührer, sowie Jonas Meyer ist Gaudin der vierte Neuzugang der SG. Dem gegenüber stehen mit Phil-Lukas Ljubic, Julius Hofmann, Felix Weise (Sommersemester in Spanien, kehrt im September zurück zur SG) und seit dieser Woche bekannt, Jonas Lösch, vier Abgänge. Lösch, der zu Beginn der Saison aus Weilstetten kam, zog wie mit dem Verein vereinbart seine Option und löst den Vertrag nach der Saison auf. Der Masterstudent musste in den letzten Wochen dem hohen Aufwand von Studium und Handball gepaart mit den enormen Fahrtstrecken an seine Hochschule nach Reutlingen Tribut zollen. Lösch betont, dass diese Entscheidung nicht leicht gefallen sei, im Sinne seiner beruflichen Prioritäten aber unumgänglich. „Ich danke Jonas für seine offene und ehrliche Art und wünsche ihm nur das Beste. Er hat alles versucht aber der Aufwand war wirklich enorm. Er hat beteuert, dass er sich sehr wohlgefühlt hat bei uns und auch wir sind froh, dass Jonas bei uns ist. Wenn dann andere Gründe im Raum stehen, die wir nicht ändern können, muss man eben auch manchmal einen Schlussstrich ziehen.
Jetzt werden wir nochmals den Markt sondieren, um möglichst einen Ersatz für ihn zu finden. Wenngleich wir im Rückraum keinen Zugzwang haben“, so der sportliche Leiter der SG Reinhold Kopfmann. Mit Fabrizio Spinner, Sebastian Endres, Dustin Ammel, Jonas Meyer und Pascal Bührer besitzen die Teninger ausreichend Manpower für die mittlere und linke Rückraumposition. Hinzu kommt mit Andreas Bühler ein weiteres Eigengewächs aus der A-Jugend, das auch zukünftig weiter entwickelt werden soll.
Zur Person:
Name: Clément Gaudin
Geboren am: 13. März 1997
Größe: 197cm
Gewicht: 87kg
Position: Torhüter
Beruf: Auszubildender Physiotherapeut